Wird Biologie noch als Naturwissenschaft unterrichtet?

 

1. Instrumentalisierte Schule

1.1 Probleme der Gesellschaft

Das Alltagsleben der Erwachsenen wird immer mehr pädagogisiert – leider auf die falsche Art. Wie es fast nur noch eine Anti-Philosophie gibt, die nicht mit Kritik operiert, sondern mit Befehl, so gibt es eine Anti-Politik, die gängelt, statt entscheidungsfähig zu machen.
Die Schule wird schon lange instrumentalisiert; gesellschaftliche Probleme werden in sie abgeschoben. Es ist nicht abzustreiten, dass die Schwierigkeiten bestehen und auch die Schule zur Lösung beitragen muss. Aber das geschieht fast immer durch Ermahnungen, Hervorrufen von Betroffensein, emotionale Appelle statt durch Informationen, die zu einer eigenen Entscheidung befähigen.
Dieses Vorgehen kann einfach auf Unfähigkeit der Politiker beruhen – es kann aber auch Absicht sein. Gutgläubige „Gutmenschen“ sind leichter zu manipulieren als Menschen mit einer soliden Wissensbasis und einer kritischen Einstellung.

„Reparaturwerkstatt Schule“

  

Unfälle im Straßenverkehr
Bewegungsmangel                                Fettleibigkeit
Pubertäts-, Elternprobleme 
Zeitmangel der Eltern 
Meinung: Mädchen benachteiligt 
eigener Fernseher im Zimmer  
süchtig nach Computerspielen 
mangelhafte Sozialisation   
sozial schwache Familie  
Waldsterben, Klimawandel 
globale Finanzkrise 
mangelhafte soziale Integration 
mangelnde Eigeninitiative  
Europagedanke wenig akzeptiert

Verkehrserziehung
3. Sportstunde
„Gesunde Ernährung“ als Unterrichtseinheit
Sexualerziehung
Betreuung in Ganztagsschulen
Mädchenförderung, girl`s day
Leseförderung
Medienkompetenz fördern
Gewaltprävention
Förderunterricht
„Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (BNE)
„Wirtschaft“ als neues Fach (Forderung)
„Öffnung zum Stadtteil“ als Projekt
Betriebspraktika
Schüleraustausche

Was machen die Kinder und ihre Eltern an all den vielen Wochenenden und Ferientagen?

 

1.2 Kompetenzen statt Inhalte

Auch hier kann man beobachten, dass eine Überlegung, die auch bedacht werden sollte, auf Kosten der Inhalte zum Selbstzweck wird. Auf diese Weise wird erreicht, dass alle mitarbeiten können.
Arbeitet man an einem hinreichend komplexen Problem, so werden Kompetenzen nebenbei erworben.
Wie haben die „Bildungsplaner“, die so laut nach Kompetenzen rufen, ihre Kompetenzen erworben?
Auf das Geschrei um den Output für Pisa & Co und um die Ausrichtung des Unterrichts auf die Bedürfnisse des Berufslebens ist ein Unterricht der inhaltsleeren Aktivitäten entstanden, der fertige Bescheidwisser hervorbringt. Das ist keine Bildung, das ist Anti-Bildung.

Die Unterrichtsmethodik ist fragwürdig und die Inhalte werden immer mehr reduziert.

 

2. Anti-Biologie

2.1 Die Gesellschaft

Mit Hilfe der Medien wird vor einer Schweinegrippe-Pandemie gewarnt und Todesopfer werden vorgezählt – so sollen die Menschen zu einer Impfung motiviert werden. Es wäre viel besser gewesen, alle Argumente dafür und dagegen begründet und nachvollziehbar darzulegen und die soziale Verantwortung des Einzelnen hervorzuheben.

Die Klimaforscher kennen „die Wahrheit“; bei ihren Folgerungen und vor dem Gang an die Öffentlichkeit treffen einige eine Auswahl unter den Versuchsergebnissen, damit die Dramatik erhöht wird. Manche lügen sogar („Gletscherlüge des Klimarats“).

Im Januar 2010 hat es geschneit und es war kalt. Eine richtige Katastrophe. Den Meteorologen, die jetzt vermehrt als Hampelmänner auftreten, gelang es, Teile der Bevölkerung zu Hamsterkäufen zu veranlassen. Statt die seltene Anordnung der Tief- und Hochdruckgebiete auf der Nordhalbkugel darzulegen, zog man es vor, einen Event für die Erlebnisgesellschaft zu inszenieren.

Panikmache statt Information

Auf politischem Gebiet geht man schon so weit, dass man abweichende Meinungen nur noch bekämpft und nicht mehr diskutiert. In Amerika hat man beobachtet (Torben Lütjen: Ein tief gespaltenes Land, FAZ vom 21.01.2010), dass viele Amerikaner Wohngebiete bevorzugen, in denen in kultureller, religiöser und politischer Hinsicht Gleichgesinnte vermutet werden. Durch diesen „Big Sort“ gleichen sich die Wertvorstellungen ganzer Regionen stark an. Das kann dazu führen, dass man sich mit abweichenden Meinungen nicht mehr auseinandersetzt, sondern sich gegenseitig bestätigt und sein Weltbild verstärkt. Dieses Verhalten zeigen auch Nachrichtensender (Fox News, MSNBC), Blogs und Web-Zeitungen. Das wäre eine Steigerung zur Anti-Rationalität.

Das, was Peter von Matt von Journalisten erwartet, sollten Schüler auch erwarten dürfen:
„Ich will von einem Fachmann eine präzise Information. Dazu gehört, dass er mir auch sagt, was er nicht weiß. Ich will nicht von einer Autorität hören, was ich zu tun habe, ich will wissen, wo mein Spielraum ist, ich will mich orientieren können.“
NZZ Folio 10/2009

2.2. Der Biologieunterricht

Die unter Punkt 1 aufgeführten Haltungen und Einstellungen betreffen alle Fächer. Den Biologieunterricht, als in vielen Bundesländern nicht in allen Klassenstufen unterrichtetes höchstens zweistündiges Nebenfach, trifft es aber besonders, wenn es neben seinem „Unterrichtskern“ (Was ist denn das?) noch viele weitere „ganz wichtige Aufgaben“ bewältigen soll.
Ab einer gewissen Grenze der Stoffreduktion ist es nicht mehr möglich, Zusammenhänge zu sehen.
- Aber wird das noch angestrebt?

Nach dem Muster, das auch in der Gesellschaft vorherrscht, wird im Biologieunterricht immer mehr mitgeteilt, erzählt, ermahnt. – Es fehlen Prioritäten.

In der Sekundarstufe 1 wird Biologie kaum noch als Naturwissenschaft unterrichtet, in der Sekundarstufe 2 selten.

Wer wissen will, wie Biologieunterricht sein oder wieder werden sollte, der kann sich mit den folgenden Seiten auseinandersetzen:

http://www.bossert-bcs.de/biologie/biologieunterricht/biologie.htm

http://www.bossert-bcs.de/biologie/motivation/mot.htm

http://www.bossert-bcs.de/biologie/experiment/index.htm

Ich will meine Vorstellung nochmals auf den Punkt bringen.

Im übertragenden Sinn sollte man sich an das Jean-Luc Godard Zitat halten,

   …, dass man nicht versuchen sollte, politische Filme, sondern Filme politisch zu machen.

   …, man sollte keinen ökologischen Unterricht machen, sondern aus dem Unterricht sollten
        ökologische Schlüsse gezogen werden, die zu Überzeugungen und dann zu Konsequen-
        zen führen.

Dann sieht man das Einschrauben einer Energiesparbirne nicht als Großtat an und belohnt sich nicht dafür mit einem Ryan-Air Flug nach London zum shopping (das gilt als Hobby), weil das Pfund gerade so günstig steht.

 

2.3 Die Universität

Die Professoren, die turnusmäßig die mangelhafte Ausbildung durch die Schulen beklagen, sollten bedenken, dass sie selbst im Glashaus sitzen.
Als schlechte Beispiele habe ich zwei Bücher mit dem Titel „Mikroskopisch-Botanisches Praktikum“ ausgewählt, von denen das eine gut und das andere sehr, sehr gut ist.

biologiebuch

 

Der Widerspruch ist leicht aufzuklären. Beide Bücher stellen Strukturen da; das eine (Wanner) in einer faszinierenden Qualität. Aber Anatomie als Selbstzweck?

Es werden die Zellen und Gewebe untersucht, die schon im vorvorletzten Jahrhundert untersucht und gezeichnet wurden – auf die gleiche Art und mit dem gleichen Ziel wie damals:

Man will Zellen sehen und zeichnen.

Das ist natürlich wichtig; aber was mich aufregt, ist der Punkt. Da wird ein halbes Jahr auf reine Struktur vertan, ohne eine Verbindung mit Funktionen. Als Ersatz wird auf Lehrbücher verwiesen!

Im Lehrbuch wird erzählt, wie es ist, in der Vorlesung wird dargestellt, wie es ist, in den beiden Büchern wird abgebildet, wie es ist.

So kann man auch zum eigenständigen Denken geführt werden. Man denkt: „Wo ist der Unterschied zu einer schlechten Schule?“

Einige Gesichtspunkte, die unmittelbar einleuchten:

In der Schule sagen manche Lehrerinnen und Lehrer auch: „Aber das haben wir doch schon immer so gemacht!“

Wenn man so zukünftige Lehrer ausbildet, bekommt man die Studenten, die man verdient.

 

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Jan. 2010